Reformation der Deformation – Zur Re-Katholisierung des Advents

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Wenn in Bayern und Österreich von der ‚staden Zeit‘, also der ‚stillen Zeit‘, die Rede ist, dann ist damit die Advents- und Weihnachtszeit gemeint. Dem wachen Beobachter wird aber, vergegenwärtigt er sich vor seinem geistigen Auge das alljährliche Treiben im Advent, gerade die Bezeichnung des Advents als ‚stade‘ bzw. ‚stille Zeit‘ nicht ganz eingänglich sein. Denn wenngleich man durchaus Gefallen an den Christkindl- und Weihnachtsmärkten, an Stollen, Plätzchen und Glühwein finden mag, so geht es dort dabei meistens alles andere als ruhig, als ‚stad‘ zu. Anderweitige Verpflichtungen dieser Zeit hingegen, Nikolausfeier hier, Weihnachtsfeier dort, und – nicht zu vergessen – der Stress der Weihnachtseinkäufe in überlaufenen Einkaufszentren oder den unüberschaubaren Tiefen der Internets, werden den meisten sogar so manchen Nerv kosten und sind freilich alles andere als ‚stad‘ oder still. 

Dass dieses muntere Treiben recht wenig zu tun hat mit dem eigentlichen Sinnesgehalt der Adventszeit, ist vielen vielleicht gar nicht bewusst. Insofern darf man gut und gerne von einer Deformation des Advents sprechen. Was ist eigentlich der Sinn und das Ziel der Adventszeit? Wie kann man den Advent, zumindest im persönlichen Leben, katholisch reformieren? 


Wenn man von einer Deformation des Advents spricht und sich Gedanken machen will, wie man ihn – zumindest im persönlichen Leben – wieder reformieren kann, dann muss man zunächst klären, was mit den Worten ‚deformieren‘ und ‚reformieren‘ gemeint ist. 

Wenn man twas deformiert, dann entzieht man einer Sache ihre eigentümliche Form oder Gestalt bzw. man entzieht ihr bestimmte Merkmale, die zum Wesen dieser Sache gehören. Wenn man hingegen eine Sache reformiert, dann gibt man einer zuvor deformierten Sache ihre ursprüngliche Form zurück bzw. man führt ihr jene Merkmale wieder zu, die eigentlich zu ihrem Wesen gehören, sodass die ursprüngliche Gestalt wieder hergestellt ist. 

Der aufmerksame Zuhörer wird jetzt sicherlich bemerkt haben, dass Luther somit keine Reformation, sondern nur eine Deformation angeführt haben kann. Denn wenn man mit dem Messopfer, dem Priestertum und vielem anderen Dinge abschafft, die zum Wesen der von Christus gegründeten Kirche gehören und die es allesamt schon gegeben hat, bevor der hl. Johannes zur Feder griff, um sein Evangelium zu schreiben, dann hat man gewiss nichts reformiert, sondern eine große Zerstörung verursacht, eine Deformation eben. Kommen wir nun aber zurück zu unserem eigentlichen Thema, dem Advent.

Möchte man also dem Advent seine ihm eigentümliche Form oder Gestalt wieder geben, wird man zunächst danach fragen müssen, was sein ihm eigentümlicher Sinn bzw. sein Zweck war und ist. In die richtige Richtung wird man dabei schon gelenkt, wenn man auf die Bedeutung des Wortes ‚Advent‘ blickt. Advent kommt vom lateinischen Wort adventus und bedeutet ‚Ankunft‘. Dass damit natürlich die Ankunft Christi gemeint ist, soll hier nur am Rande erwähnt werden. 

Ankunft kann man hier auch im dreifachen Sinn verstehen. 

  1. Nach den Worten des hl. Papstes Pius X. (1835-1914) dient die Zeit des Advents dazu, sich darauf vorzubereiten, „das Gedächtnis der ersten Ankunft Jesu Christi in dieser Welt, seine zeitliche Geburt, würdig zu feiern“1.
  2. Die heilige Katholische Kirche regt ihre Gläubigen im Advent zur Betrachtung der letzten Ankunft, der Wiederkunft Christi an, „das letzte Kommen Jesu Christi in seiner Herrlichkeit, um die Lebendigen und Toten zu richten“2.
  3. Um in den Himmel zu kommen, bedarf der Mensch der heiligmachenden Gnade. Daher geht es in der Adventszeit auch um die Ankunft Christi in unseren Herzen, es geht also darum, dass wir Christus „inständig bitten, dass er komme und geistig mit seiner Gnade in uns geboren werde und wachse“3. Und wenn wir ehrlich sind, dann bedarf unsere verwirrte und für manchen sogar beunruhigende Zeit vor allem gerade dies: Dass Christus in möglichst vielen Herzen durch Seine Gnade geboren werde und dort wachse. Denn wie friedlich wäre unsere Welt, würde jeder Mensch an Weihnachten vor der Krippe knien und dieses gottmenschliche Kind als seinen König anerkennen und anbeten. Deshalb mag die Adventszeit auch besonders dafür geeignet sein, durch Gebet und verdienstliche Werke die Bekehrung der Sünder und Ungläubigen zu erflehen, ganz ähnlich wie im Alten Bund die Israeliten die zeitliche Geburt des Messias herbeiflehten.

Damit wäre also der Sinn bzw. der Zweck der Adventszeit geklärt: Es geht um die Ankunft Christi in ihrem dreifachen Sinn, bzw. darum, diese gut vorzubereiten. Um diesem Zweck aber auch gerecht zu werden, ist es erforderlich, um die richtige Art von Mitteln zu wissen und diese und zu gebrauchen. Ein Blick auf die Historie des Advents mag uns dabei helfen. 

Historisch betrachtet hat der Advent seit jeher das Gepräge einer Buß- und Fastenzeit, wenngleich weniger streng als jene vor Ostern. Das erste greifbare, was man über die Adventszeit findet, sind Anweisungen des hl. Perpetuus (+ um 490 n. Chr.), seinerseits Bischof von Tours/Frankreich und damit ein Nachfolger des hl. Martin von Tours. Schaue Dir dazu gerne unser Video zum hl. Martin von Tours an – ein wahrhaft großer Heiliger.

Perpetuus ordnete zur Vorbereitung auf das Weihnachtsfest ein dreimaliges Fasten pro Woche an, welches nach dem Fest des heiligen Martin von Tours am 11. November begann. Die Synode von Macon ordnete etwa 100 Jahre später an, dass ebenfalls ab dem Fest des hl. Martins bis Weihnachten montags, mittwochs und freitags gefastet und das Heilige Messopfer gemäß den Rubriken der großen Fastenzeit zelebriert werden sollte. Dementsprechend dauerte die damalige Adventszeit nicht nur vier, sondern sechs Wochen, eine Tradition, die sich bis heute im sogenannten ‚ambrosianischen Ritus‘, der vorwiegend in der Kirchenprovinz Mailand/Italien zelebriert wird, noch gehalten hat. 

Die ersten Hinweise, dass die Adventszeit im lateinischen Ritus auf vier Wochen verkürzt wurde, finden sich in einem Brief des hl. Papstes Nikolaus I. (820-867) aus dem 9. Jahrhundert. Wenngleich die Fastengebote in den folgenden Jahrhunderten zu Abstinenzgeboten herabgemildert wurden, die zum Teil nur noch der Klerus zu befolgen hatte, so empfahlen viele Päpste und Bischöfe, wie bspw. der hl. Karl Borromäus (1538-1584), ihren Gläubigen trotz alledem in der Adventszeit wenigstens montags, mittwochs und freitags zu fasten, um sich so auf das Geburtsfest unseres Herrn Jesus Christus vorzubereiten.4

Auf den Bußcharakter des Advents weist auch die Liturgie der Kirche hin. Am auffälligsten dürfte, die liturgische Farbe violett sein, die zeichenhaft für die Buße steht, „die zwar schmerzlich ist, aber doch zum Heil und zur wahren Freude führt“5. Wie Papst Pius XII. (1876-1958) in seiner Enzyklika Meditator Dei schreibt, weckt gerade die kirchliche Liturgie dieser Zeit, „in uns das Bewusstsein der Sünden, die wir leider begangen haben, ermahnt uns durch Beherrschung der Triebe und durch freiwillige körperliche Buße uns in frommer Betrachtung zu sammeln und uns mit dem lebendigen Verlangen zu erfüllen, zu Gott zurückzukehren, der allein mit seiner Gnade uns von der Makel unserer Sünden und von den verhängnisvollen Übeln, die daraus entspringen, zu befreien vermag.“6

Wenngleich wir nun einen gewissen Überblick bekommen haben, welche Art von Mittel es gibt, um die Adventszeit zumindest im persönlichen Leben wieder in Form zu bringen, bleibt die Wahl der konkreten Mittel freilich einem jeden selbst überlassen. 

Die im folgenden aufgelisteten Tipps zur Reformation der eigenen Adventszeit mögen daher auch als Anregungen und keinesfalls als gebieterischer „Thesenanschlag“ verstanden werden. Und gewiss erheben diese Anregungen auch keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.

1. Empfang des Bußsakramentes

Wenn die Adventszeit eine Zeit der Buße ist, dann eignet sie sich hervorragend zum Empfang des heiligen Bußsakramentes. Jesus wurde Mensch, um uns von unseren Sünden zu erlösen. Wenn wir nun die heiligmachende Gnade, die uns Christus am Kreuz erworben hat und ohne die der Mensch nicht in den Himmel kommen kann, durch die schwere Sünde verloren haben, dann müssen wir uns in der Beichte unserer Sünden anklagen, um die Gnade durch den Priester erneut geschenkt zu bekommen. Aber selbst wenn wir uns keiner schweren Sünden bewusst sind, trägt eine gute Andachtsbeichte, die die Kirche immer empfohlen hat, zur Vermehrung der Gnade in uns bei. Durch den Empfang des Bußsakramentes kann Christus geistig mit seiner Gnade in uns geboren werden und wachsen. 

2. Fastenvorsätze

Wenngleich die Adventszeit historisch vor allem durch das Fasten, welches in einer einmaligen Sättigung am Tag und ggf. zwei weiteren kleinen, nicht vollständigen Mahlzeiten besteht, und durch den Fleischverzicht geprägt ist, so muss das nicht bedeuten, dass man sich nicht auch auf andere Weise im Verzicht üben könnte. Man kann im Advent auch bewusst auf andere Dinge verzichten, bspw. auf Süßigkeiten im Ganzen oder, etwas milder, nur auf Plätzchen und Glühwein und anderer Süßigkeiten, die ja eigentlich für das Weihnachtsfest vorgesehen sind und nicht schon für den Advent. Bedenkt man, dass der Advent auch die ‚stade‘, also stille Zeit genannt wird, dann kann der Verzicht auch im Entfliehen des weltlichen Treibens bestehen und sei es nur das virtuelle mediale Treiben. Welchen Verzicht man sich auch auferlegt, das wichtigste dabei ist weniger die Größe des Werkes als vielmehr das Maß unserer Gottesliebe, mit welcher wir diese kleinen Opfer des Verzichts Gott darbringen. 

3. Zeit zur Betrachtung und zur geistlichen Lektüre nehmen 

Der hl. Hieronymus hat einmal gesagt: „Die Schrift nicht kennen, heißt Christus nicht kennen.“ Die Zeit des Advents kann also auch dafür genutzt werden, sich mehr der Lektüre und Betrachtung der Heiligen Schrift oder anderer geistlicher Schriften zu widmen. Eine gute Hilfe kann der sogenannte

biblische „Jessebaum“ bieten: Jeden Tag liest man einen Abschnitt aus der Bibel, der auf das Kommen des Heilandes verweist. Eine Anleitung hierzu ist unten in der Videobeschreibung verlinkt.

4. Bewusst Zeit nehmen für mehr Gebet

„Kommt zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken.“ (Mt 11,28) So ruft uns Unser Herr Jesus Christus zu. Ganz allgemein kann man das Gebet als eine Erhebung der Seele zu Gott verstehen. Lassen wir uns in der Adventszeit von Christus erquicken, indem wir vermehrt unsere Seele im Gebet zu Ihm erheben, bspw. auch durch den Besuch der traditionellen adventlichen Roratemessen.

5. Adventstraditionen wieder lebendig werden lassen

Um dem Jesuskind, welches natürlich erst an Heiligabend in die Krippe gelegt wird, seinen Platz so angenehm wie möglich zu machen, gibt es den Brauch des ‚Krippefüllens‘. Für jedes kleinere und größere Opfer, aber auch für jede gute Tat, welche in der Adventszeit vollbracht wird, nimmt man einen Halm Stroh und legt diesen in die Krippe. Je mehr Werke der Liebe man vollbracht hat, desto mehr Halme liegen an Weihnachten in der Krippe und desto weicher hat es dann auch das Jesuskind. 

Ein anderer beliebter Brauch ist jener der Barbarazweige. Am Festtag der hl. Barbara (273-306), dem 4. Dezember, schneidet man Zweige im Garten und stellt sie in eine Vase, gefüllt mit Wasser. Geht alles gut, blühen die Zweige an Weihnachten. Symbolisiert wird durch diesen Brauch recht schön, wie Gott uns, die wir aufgrund der Sünde tot waren, durch Christus wieder lebendig gemacht hat (Vgl. Eph 2, 1-10).

Aber auch andere einfache volkstümliche Traditionen wie das Basteln der Adventskränze, das gemeinsame Singen adventlicher Lieder oder das gemeinsame Lesen adventlicher Geschichten, können dazu beitragen, dass der Advent seine eigentümliche Gestalt zurückerhält, und sei es nur im persönlichen Leben. Und sicherlich schmecken an Weihnachten die Plätzchen dann am besten, wenn man sie in der Adventszeit zwar selbst gebacken, aber nicht allzu oft probiert hat.

In diesem Sinne eine gesegnete und vor allem gnadenreiche Adventszeit.

  1. Hl. Pius X., Kompendium der christlichen Lehre, vierter Abschnitt, Nr. 1.
  2. Ebd., Nr. 2.
  3. Ebd., Nr. 3. 
  4. Vgl. https://www.catholicnewsagency.com/resource/55951/the-history-of-advent [entnommen am 13. November 2021].
  5. Gaudron, Matthias, Die Messe aller Zeiten, Stuttgart 22008, 30-31.
  6. Pius XII, De Mediator Dei, zitiert nach: Rohrbasser, Anton (Hg.), Heilslehre der Kirche. Dokumente von Pius IX. bis Pius XII., Nr. 334.