Der hl. Nikolaus von Myra: Der Mann, der dem Arius widerstand

555 0

Ein abendliches Türklopfen am 5. oder 6. Dezember lässt viele Kinderherzen höherschlagen: Der Besuch des Nikolaus steht bevor. Dank dieses Brauchtums dürfte es, zumindest im deutschen Sprachraum, kaum ein Kind geben, dass den hl. Nikolaus (etwa 270–350) von Myra, heute Demre/Türkei, nicht kennt. Somit zählt der hl. Nikolaus neben dem hl. Martin von Tours/Frankreich zu den bekanntesten außerbibilischen Heiligen. Wer den hl. Martin besser kennenlernen möchte, kann sich gerne unser Video über ihn anschauen, der Link dazu befindet sich in der Videobeschreibung. Doch wer war der hl. Nikolaus und wie kam es dazu, dass er zu einem der bekanntesten und am meist verehrtesten Heiligen wurde?


Will man sich in das Leben des hl. Martin von Tours vertiefen, kann man sogar auf die Biographie eines Zeitzeugens, die Vita sancti martini des Sulpicius Severus (363–425), zurückgreifen. Diese wurde geschrieben noch bevor Martin starb. 

Im Fall des hl. Nikolaus von Myra hingegen stammt die erste vollständige Beschreibung seines Lebens aus dem 8. oder 9. Jahrhundert n. Chr. von einem nicht weiter bekannten Archimandriten, also eines byzantinischen Klostervorstehers, namens Michael. Gewiss ist allerdings, dass sich diese Schrift auf ältere Quellen beruft, die im Laufe der Zeit leider verloren gegangen sind. Das älteste noch erhaltene schriftliche Zeugnis über den hl. Nikolaus ist ein Bericht aus dem Jahre 400, der beinhaltet, wie Bischof Nikolaus auf wundersame Weise drei unschuldig zum Tode Verurteilte vor der Exekution bewahrte, was als sogenannte ‚Stratelaten-Erzählung‘ bezeichnet wird.

Geboren wurde Nikolaus etwa um das Jahr 270 n. Chr. in Patara, einer antiken Stadt an der Mittelmeerküste Lyziens, die in der heutigen Türkei liegt. Das römische Brevier beginnt die Beschreibung des Lebens des hl. Nikolaus, die ältesten Zeugnisse über den Heiligen aufgreifend, mit folgenden Worten: „Nikolaus [ … ] hat von Kindheit an mittwochs und freitags gefastet. Diese Gewohnheit hat er sein Leben lang stets beibehalten. Als Jüngling seiner Eltern beraubt, verteilte er sein Vermögen [unter] den Armen. Ein ausgezeichnetes Beispiel seiner Liebe war es, als er drei gefährdeten Mädchen durch eine angemessene als Mitgift bestimmte Summe zu Hilfe eilte.“1 Nikolaus hatte nämlich mitbekommen, dass der Vater keine Mitgift für seine Töchter zahlen konnte und sich deshalb keine Junggesellen fanden, die sie heiraten wollten. In dieser Notlage fasste der Vater den grauen- wie sündhaften Beschluss seine Töchter zur Prostitution freizugeben, um den notwendigen Lebensunterhalt zu verdienen. Um diese schwere Sünde zu verhindern, warf Nikolaus nachts zunächst eine solch große Geldsumme durch das Fenster, dass die Mitgift für eine Tochter aufgebracht werden konnte. Dieses Liebeswerk wiederholte Nikolaus noch zwei weitere Male, sodass die drei Töchter vor dieser unehrenhaften Tätigkeit bewahrt wurden und in den Ehestand eintreten konnten. Diese Mild- und Wohltätigkeit des hl. Nikolaus, die auch durch das Brauchtum des Nikolaus als Geschenkebringer zum Ausdruck kommt, zieht sich fortan durch sein ganzes Leben.2

Der Text des römischen Breviers berichtet auch davon, wie es dazu kam, dass Nikolaus zum Bischof ernannt wurde: Nikolaus pilgerte „nach Palästina und kam durch Gottes Weisung nach Lyzien. Dort wurde er von den Bischöfen der Provinz, da der Bischof von Myra verstorben war, wider aller Erwarten mit wunderbarer Einmütigkeit, zum Nachfolger gewählt. In diesem Amt erwies er sich als Beispiel aller Tugenden. Als er aber gegen die Verordnung [der römischen Kaiser] Diokletian und Maximian die Wahrheit des christlichen Glaubens verkündete, wurde er in den Kerker geworfen,“3 wo er bis zur Herrschaft Kaiser Konstantins (zwischen 270 und 288–337) blieb. Nikolaus war als Bischof auch Teilnehmer des ersten ökumenischen Konzils der Kirchengeschichte im Jahr 325 n. Chr. in Nicäa/heute İznik, Türkei. Dieses Konzil beschäftige sich vor allem mit der Irrlehre des Arius (etwa 260–327), der mit seinen Anhängern die Göttlichkeit Jesu leugnete, indem er in ihm ein bloßes Geschöpf des Vaters sah.4 Während einer Konzilsversammlung wurde, so wird berichtet, der heilige Bischof aus Myra von seinem apostolischen Eifer für die reine und unveränderliche Lehre Christi so überwältigt, dass er, als Arius gerade dabei war seine häretischen Ansichten vor der Konzilsversammlung zu verteidigen, sich von seinem Platz erhob und Arius, der im Laufe dieses Konzils dann auch verurteilt werden sollte, ohrfeigte. Ob dieser hitzköpfigen Tat wurde Nikolaus von den anderen anwesenden Bischöfen dazu verurteilt, seine Bischofkleider abzulegen. Daraufhin wurde er gefesselt ins Gefängnis gesteckt, wodurch man ihn von der Konzilsversammlung fernzuhalten suchte. Nikolaus schämte sich und bat um Vergebung. In der Nacht sollen ihm dann Jesus und die Gottesmutter Maria erschienen sein, die ihn fragten, warum er denn im Gefängnis sei. Nikolaus antwortete ihnen, dass es die Liebe zu Jesus gewesen sei, die ihn dazu trieb den Häretiker Arius zu ohrfeigen. Jesus gab ihm daraufhin das Evangelienbuch und Maria überreichte ihn ein Omophorion, das liturgische Kleidungsstück eines Bischofs. Als am nächsten Morgen die Gefängniswärter kamen, fanden sie Nikolaus, wie er in den Evangelien las, gekleidet in seiner Bischofsrobe, die Fesseln gelöst am Boden liegend. Als Kaiser Konstantin davon erfuhr, verlangte er die Freilassung von Nikolaus. Nikolaus wurde dann von den Bischöfen wieder vollständig als Bischof eingesetzt und der Häretiker Arius schlussendlich verurteilt.5

Betont werden soll an dieser Stelle auch die große Kraft des Gebetes des hl. Nikolaus. Wie kraftvoll das Gebet von jemanden ist, hängt vor allem von seinem Glauben ab, wie unser Herr Jesus Christus lehrt: „Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn groß, könntet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Nimm deine Wurzeln heraus und verpflanz dich ins Meer! Und er würde euch gehorchen.“ (Lk 17,6) So wird erzählt, dass „sich auf das Gebet des hl. Nikolaus hin ein bedrohlicher Sturm legte, so dass ein vom Untergang bedrohtes Schiff sicher den Hafen erreichte. Daher gilt St. Nikolaus auch als Patron der Seeleute.“6 Ebenso wird erzählt, dass „während einer Hungersnot zu Myra einmal Getreideschiffe aus Alexandria in den Hafen der Stadt einliefen. Der Bischof bat die Besatzungen um Korn für die notleidende Bevölkerung, doch mochten die Seeleute diesem Wunsch nicht nachkommen, weil das von ihnen geladene Getreide für die Hauptstadt Konstantinopel bestimmt war. Sie fürchteten die ihnen drohende Strafe, wenn sie das Korn nicht in vollständiger Menge ablieferten. Der heilige Bischof aber versicherte ihnen, es werde ihnen nichts geschehen, und so lud jedes Schiff einhundert Scheffel Korn ab. Mit diesem geringen Vorrat versorgte Nikolaus in wunderbarere Weise die gesamte Bevölkerung Myras während der Hungersnot, und es blieb sogar noch Korn für die Aussaat übrig. – Die Getreideschiffe aber fuhren weiter nach Konstantinopel. Zum Erstaunen der Seeleute war beim Löschen der Ladung ebenso viel Korn vorhanden wie in Alexandria eingeladen worden war.“7

Nikolaus starb im Ruf der Heiligkeit an einem 6. Dezember, etwa um das Jahr 350 n. Chr. Nach seinem Tod entwickelte sich sein Grab in Myra zu einem immer beliebteren Wallfahrtsort, bis im Jahre 1087 seine Reliquien vor den islamischen Seldschuken, der damals herrschenden Fürstendynastie, in Sicherheit gebracht werden mussten. Italienische Kaufleute brachten sie mit dem Schiff von Myra in die italienische Hafenstadt Bari. Als die Kaufleute am 9. Mai 1087 mit den Reliquien sicher in Bari ankamen, gelobten sie dem hl. Nikolaus zur Ehre eine prächtige Kirche zu bauen. Bereits zwei Jahre später, im Jahr 1089, konnte die Krypta fertiggestellt werden. Der heilige Papst Urban II. (etwa 1035–1099) legte die Überreste des hl. Nikolaus in ein Grab unter dem Altar der Krypta.  Die Hauptkirche, die Basilica di San Nicola, wurde größtenteils zehn Jahre später, abschließend jedoch erst Mitte des 12. Jahrhunderts fertiggestellt. Dieses Heiligtum entwickelte sich zu einem der großen Wallfahrtszentren des mittelalterlichen Europas.8

In dieser Basilika mussten in den 1950er Jahren Renovierungsarbeiten in der Krypta durchgeführt werden. Dadurch wurden auch wissenschaftliche Untersuchungen der Gebeine des hl. Nikolaus möglich, welche in einem ersten Schritt identifiziert und inventarisiert wurden. Diese Untersuchungen ergaben, dass die Knochen Teil des Skeletts eines Mannes sind, der im Alter von mindesten 70 Jahren verstorben war. Anhand der Vermessungen des Skeletts wurde versucht das Gesicht des hl. Nikolaus zu rekonstruieren. Dr. Caroline Wilkinson lieferte zwei dieser Rekonstruktionen, eine im Jahr 2004 und eine aktualisierte im Jahr 2014. Diese Rekonstruktionen liefern das Bild eines alten etwa 1,70 Meter großen Mannes, der einen schweren Kiefer und eine gebrochene Nase hatte. Diese Verletzungen könnten ihm zugefügt worden sein, als er in der diokletianischen Christenverfolgung inhaftiert und gefoltert worden war. Auch andere Spuren, die am Skelett festgestellt wurden, können durch diese Inhaftierung erklärt werden.9

Neben dem eigentlichen Gedenktag des hl. Nikolaus am 6. Dezember wird in Bari alljährlich am 9. Mai der Ankunft der Reliquien im Jahr 1087 gedacht. Dieses Fest beginnt dabei schon am Morgen des 7. Mai und dauert bis zum 9. Mai. Eindrücke von diesen Feierlichkeiten bietet ein Video, welches in der Beschreibung unten verlinkt ist. 

Wenn nun am 5. oder 6. Dezember viele Kinder wieder vom Nikolaus besucht und beschenkt werden, so wird in diesem alten Volksbrauch die Güte und Wohltätigkeit des hl. Nikolaus zum Ausdruck gebracht. Dieser Brauch lässt sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen. Französische Nonnen begannen damals am Abend des 5. Dezembers, dem Vorabend des Nikolausfestes, vor den Türen armer Familien kleine Geschenke für deren Kindern zu hinterlassen. Diese Geschenke bestanden meist, wie oftmals heute noch, aus Leckereien wie Äpfeln, Orangen, Nüssen oder auch Keksen und anderen Süßigkeiten.10

Wenngleich der hl. Nikolaus vor allem für seine Güte und Großzügigkeit bekannt wurde, sollte man die anderen Tugenden dieses heiligmäßigen Mannes ebenso wenig vergessen, wie die Tatsache, dass er vielen ein großer Fürsprecher am Throne Gottes war und auch uns einer sein kann, wenn wir ihn nur demütig um seine Fürsprache bitten.

  1. III. Lesung aus der Matutin zum Fest des hl. Bischofs und Bekenners Nikolaus; zitiert nach Ramm, Martin, Nocturnale. Die Matutin des Römischen Breviers gemäß dem am 25. Juli 1960 von Papst Johannes XXIII. approbierten Codex Rubricarum lateinisch deutsch, Thalwil 2019, 18S.
  2. Vgl. Lendering, Jona, Nicholas of Myra. Early Evidence, in: https://www.stnicholascenter.org/who-is-st-nicholas/real-person/early-sources[entnommen am 22. November 2021].
  3. III. Lesung aus der Matutin zum Fest des hl. Bischofs und Bekenners Nikolaus, 18S.
  4. Vgl. De Mattei, Roberto, Verteidigung der Tradition. Die unüberwindbare Wahrheit Christi, Altötting 2017, 28-36.
  5. Vgl. Lendering, Nicholas of Myra; und https://www.stnicholascenter.org/who-is-st-nicholas/stories-legends/traditional-stories/life-of-nicholas/bishop-nicholas-loses-his-cool [entnommen am 23. November 2021].
  6. https://fsspx.de/de/news-events/news/6-dezember-hl-nikolaus-34011 [entnommen am 23. November 2021].
  7. Ebd.
  8. Vgl. https://www.stnicholascenter.org/who-is-st-nicholas/saint-in-bari [entnommen am 22. November 2021].
  9. Vgl. https://www.stnicholascenter.org/who-is-st-nicholas/real-face [entnommen am 22. November 2021].
  10. Vgl. https://www.stnicholascenter.org/who-is-st-nicholas/gift-giver [entnommen am 22. November 2021].