Allerheiligen und Allerseelen

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Wozu sind wir auf Erden? Was ist der Sinn des Lebens? Was folgt nach dem Tod?

Am 1. November feiern wir das Fest „Allerheiligen“ und am 2. November den Gedenktag „Allerseelen“. In diesen beiden Festgeheimnissen findet sich vieles, was auf diese drängenden Fragen der Menschheit Antwort gibt.


Die eingangs erwähnten Fragen lassen sich recht kurz und prägnant beantworten: Wir sind auf Erden, um Gott, den Grund unseres Daseins, zu erkennen, ihn zu lieben, ihm zu dienen und dadurch einst, nach unserem Tod, in den Himmel zu kommen. 

Thomas von Kempen (1380–1471) sagt dazu in seinem wohl berühmtesten Werk „Nachfolge Christi“: „Deine Liebe hat mich erschaf­fen, als ich noch nicht war, sie hat mich zu Dir, dass ich Dir diene, wie­der zurück­ge­führt, als ich mich ver­irrt hatte, sie hat mir ein süßes Gebot ins Herz geschrie­ben, das Gebot, Dich zu lie­ben“. Diese Bestimmung des Menschen zur Liebe Gottes wird im Himmel vollendet.

An Allerheiligen und Allerseelen betrachten wir in besondere Weise dieses Ziel. Diese Festtage verkünden in besonderer Weise die Glaubensartikel, die aus dem apostolischen Glaubensbekenntnis bekannt sind: „Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen …“ und: „Ich glaube an das ewige Leben.“

Zum ewigen Leben gelangt man aber nur, wenn man dem mystischen Leib Christi, also der Kirche angehört. Diese Kirche ist nun aber nicht nur eine irdische Größe, sondern besteht wesentlich aus drei Gliedern: der Streitenden, der Leidenden und der Triumphierenden Kirche. Ende Oktober wird im traditionellen Liturgiekalender das Christkönigsfest gefeiert, mit dem sich unser letztes Video beschäftigt – da gerne mal reinschauen und mit seinen Lieben und Interessierten teilen. Bei diesem Fest geht es, wenn wir die historischen Umstände der Entstehung betrachten, eher um die streitende Kirche in der Welt. Am 1. November dann, an Allerheiligen, betrachtet die Liturgie das Geheimnis der triumphierenden Kirche, um sich einen Tag danach, an Allerseelen, der leidenden Kirche zuzuwenden. So unternimmt sie einen kleinen Streifzug durch die Glieder der Kirche.

Die Gemeinschaft der Heiligen setzt sich aus allen Seelen zusammen, die in der heiligmachenden Gnade leben, also im Gnadenstand sind. Die heiligmachende Gnade ist die übernatürliche Gabe, durch die wir Kinder Gottes und Erben des Himmels werden: „Sehet, welche Liebe uns der Vater erwiesen hat, dass wir Kinder Gottes heißen und sind“ (1 Joh 3,1).Sie wird im neuen Bund durch die Taufe erworben, durch die Sakramente und gute Werke vermehrt und geht durch schwere Sünden verloren, kann aber durch das Sakrament der Buße oder durch die vollkommene Reue, auch „Liebesreue“ genannt, wiedererlangt werden. Sie muss auch wiedererlangt werden, da man ohne die heiligmachende Gnade nicht in den Himmel kommen kann.

Gehen wir zunächst auf die Gläubigen auf Erden ein: Sie gehören zur streitenden Kirche, im neueren Sprachgebrauch auch „pilgernde Kirche“ genannt. Sie müssen noch gegen die Sünde, die Versuchungen, den Teufel kämpfen und ringen, um eben Gott zu erkennen, zu lieben und zu dienen, um den Gnadenstand zu erhalten und nicht in die Sünde zu fallen: Darum heißt sie „streitende Kirche“ oder „pilgernde Kirche“.

Die Seelen im Himmel haben ihr Ziel bereits erreicht. Sie sind vollkommen geläutert von allem Unedlen und Falschen, sie schauen Gott von Angesicht zu Angesicht, sind auf ewig in Liebe mit ihm vereint, frei von jeglichem Übel und genießen mit Christus und allen Heiligen ewige Freude und Herrlichkeit. Sie haben den Sieg errungen, sie gehören zur sogenannten triumphierenden Kirche im Himmel. 

Es ist aber klar, dass „nichts Unreines in den Himmel eingeht“ (Offb 21,27). Wir wissen auch, dass „die Menschen über jedes unnütze Wort, dass sie reden, am Tage des Gerichtes Rechenschaft geben müssen“ (Mt 12,36). Die unendliche Barmherzigkeit Gottes ist bereit, jede noch so schwere Sünde eines reumütigen Sünders zu vergeben, aber die unendliche Gerechtigkeit Gottes fordert auch Genugtuung für jede große und kleine Sünde. Das bedeutet: Die Seelen, die zwar in der Freundschaft Gottes, im Gnadenstande sterben, aber noch mit lässlichen Sünden befleckt sind oder Genugtuung für vergangene Sünden zu leisten haben, kommen nicht direkt in den Himmel. Sie gehen zuerst in den Reinigungsort, auf Latein Purgatorium, ein, der auch Fegefeuer genannt wird. Der verbliebene Sündenmakel, der auf der Erde nicht durch die Sakramente oder gute Werke getilgt wurde, wird bei ihnen durch geduldig und liebevoll ertragenes Leid geläutert, darum bilden sie die leidende oder läuternde Kirche, die Seelen im Fegefeuer werden daher auch arme Seelen genannt. 

Warum? Die Sehnsucht nach Gott ist diesen Seelen tief eingeschrieben, aber sie dürfen Gott nicht schauen, nachdem sie das Gericht durchlaufen haben. Laut dem hl. Augustinus wiegt dieses Leiden schwerer als alle Leiden in diesem Leben auf Erden. 

Die schon intuitiv einsichtige Lehre von der Notwendigkeit eines Reinigungsortes für die Menschen, die zwar nicht so verdorben sind um verdammt zu werden, aber nicht rein und würdig genug, um sofort in den Himmel zu kommen, wird schon in der Bibel angedeutet.

Hier ein kleiner Überblick anhand von vier Beispielen:

  • 2 Makk 12,40–46: Bereits im Alten Testament lässt Judas Makkabäus eine große Menge Geld nach Jerusalem schicken, damit es für die Gefallenen geopfert wird, bei denen Götzenbilder gefunden wurden. Dieses Opfer wäre ohne einen solchen Reinigungsort sinnlos. 
  • Mt 12,32: Auch Christus spricht davon, dass die Sünde wider den heiligen Geist weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben wird. Auch dies ist ein Hinweis darauf, dass auch im Jenseits noch in gewissem Maße Vergebung stattfinden kann.
  • Mt 5,26: Oder wenn Christus einem Sünder sagt, er wird aus dem Kerker nicht herauskommen, bis er den letzten Heller bezahlt hat, dann bezieht die Kirche das auf den Reinigungszustand, in dem durch Leiden Genugtuung geleistet wird.
  • 1 Kor 3,13-15: Auch der Apostel Paulus spricht von einer Rettung durch Feuer hindurch. Auch die Tradition bezeugt, dass in der Kirche schon früh für die Verstorbenen gebetet wurde.

Welche Anregungen finden wir nun konkret für unser Leben im Fest Allerheiligen und im Gedenktag Allerseelen? Eine kleine, unvollständige Aufzählung nun hier:

  • Es gibt ein ewiges Leben nach dem Tod. Unsere zur Ewigkeit bestimmte Seele ist ewig und wird nie vergehen. Das ist nicht nur tröstlich, sondern auch mahnend, da doch alles, was wir hier auf Erden tun, Einfluss auf unser Leben in der Ewigkeit hat: Das Leben ist kurz, der Tod gewiss und die Ewigkeit lang. (frei nach John Henry Newman). Der Gedanke an den Tod soll uns aufrufen, die Zeit, die uns gegeben ist, auf das ewige Ziel auszurichten. 

  • „Die Leiden dieser Zeit sind nicht zu vergleichen mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll“ (Röm 8,18). Leiden ist vielmehr ein Weg zur Herrlichkeit. Christus bestätigt dies in den Seligpreisungen, die im Evangelium von Allerheiligen verlesen werden: z. B. „Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden“. Das gilt auch für das Fegefeuer: Es lässt sich ja schon auf dieser Welt beobachten, dass menschliches Leid eine reifende und läuternde Wirkung haben kann. Das gibt eine vage Vorstellung von der Wirkung des Leides im Reinigungsort. 

  • Umgekehrt kann man auch sagen: Alle irdischen Freuden sind nur eine leichte Vorahnung für die ewigen Freuden des Himmels: Kein Auge hat es je gesehen, kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz ist es gekommen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1 Kor 2,9). Dabei entgeht einem nichts durch den Verzicht auf irdische Freuden, denn laut dem hl. Thomas von Aquin (1225–1274), dem wohl größten Theologen der Kirchengeschichte, „Gibt es keine vermeintliche oder tatsächliche Freude auf Erden, die man im Himmel nicht irgendwie wiederfindet“.

  • Die Heiligen im Himmel helfen uns und wir können den armen Seelen im Fegefeuer helfen: Die verschiedenen Glieder bilden einen gemeinsamen Leib, den mystischen Leib Christi, und sind miteinander verbunden. So bilden sie gewissermaßen eine Solidargemeinschaft, ganz nach den Worten: „Einer trage des anderen Last“ (Gal 6,2). Wir sollen nicht nur innerhalb der streitenden Kirche füreinander beten, wir haben auch in den Heiligen des Himmels mächtige Fürsprecher, die bereit sind, uns zu helfen. Wir können aber auch den Armen Seelen im Fegefeuer durch unser Gebet, gute Werke und Ablässe helfen. Der Arme-Seelen-Monat November, mit den Allerseelenablässen, lädt besonders dazu ein. Sicher dürfen wir dann auch auf Ihre Fürsprache hoffen, wenn diese Seelen es dann in den Himmel geschafft haben.

  • Wir sind alle zur Heiligkeit berufen. Das Fest Allerheiligen richtet den Blick nicht nur auf die Heiligen, die besonders herausragend und heldenhaft gelebt haben, kanonisiert wurden und nun liturgisch verehrt werden, sondern auch auf die vielen kleinen Heiligen, die den guten Kampf gekämpft haben und nun triumphieren: „Danach sah ich eine große Schar, die niemand zählen konnte. Sie standen vor dem Throne und vor dem Lamme, angetan mit weißen Gewändern, sie trugen Palmzweige in ihren Händen”, und diese Auserwählten, ohne bekannten Namen, waren aus allen Völkern, Stämmen, Nationen und Sprachen“ (Offb 7,9).

Streiten, leiden und triumphieren wir als eine große Kirche, Gott zur Ehre!

Herr, gib den armen Seelen im Fegefeuer die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihnen. Lass sie ruhen in Frieden. Amen.